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Trotz Fachkräftemangel: Wie Du erfolgreich MitarbeiterInnen für Deine Praxis gewinnst
„Der entscheidende Fehler ist, zu lange zu warten, bis man tatsächlich etwas ändert.“
Im Gespräch mit Michael Scheuermann
Gründer und Gesellschafter von PraxisTalentsDer Fachkräftemangel stellt in nahezu jeder Branche ein allgegenwärtiges Problem dar. Auch der therapeutische Fachbereich bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont: So stellt die Suche nach qualifizierten MitarbeiterInnen viele Praxen vor eine große Herausforderung. Doch es geht auch anders: Im Interview mit MEDIFOX DAN teilt Michael Scheuermann, Gründer und Gesellschafter von PraxisTalents, wertvolle Einblicke und praxiserprobte Tipps, wie die Mitarbeitersuche trotz Fachkräftemangel gelingt. Erfahre, wie Du Deine Vorgehensweise bei der Stellenausschreibung optimieren und erfolgreich neue KollegInnen für Dein Praxisteam gewinnen kannst.
Mit PraxisTalents habt ihr eine Marketing-Agentur ins Leben gerufen, die speziell PhysiotherapeutInnen auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften unterstützt. Wie seid ihr zu dieser Idee gekommen?
Michael Scheuermann: In meiner Familie hat jeder einen medizinischen Bezug: Mein Vater ist Arzt, meine Mutter MTA und meine Schwester Physiotherapeutin. Schon immer hat mich der medizinische Bereich fasziniert, weshalb ich während meines Zivildienstes eine Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert habe. Beruflich ging ich jedoch zunächst einen anderen Weg: Ich studierte Marketing und arbeitete nebenbei bei einem großen MDAX-Konzern und einer Werbeagentur.
Während ich mich für meine Jobs gegen hunderte BewerberInnen im Assessment Center durchsetzen musste, habe ich auf der anderen Seite bei meiner Schwester gesehen, wie sie als Physiotherapeutin regelrecht von den Praxen umworben wurde. Wir haben also festgestellt, dass insbesondere Physiotherapiepraxen dringend nach MitarbeiterInnen suchten. Mit unseren Kontakten im Medizinbereich haben wir beschlossen, die Gründe dafür zu untersuchen und mögliche Lösungen zu finden. Das führte letztendlich zur Gründung von PraxisTalents.
Wie hat sich der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche in den letzten Jahren entwickelt, und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Physio-Praxen?
Michael Scheuermann: Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur den Gesundheitssektor, sondern auch andere Branchen. Tatsache ist, dass sich nur wenige SchülerInnen für Heilmittelberufe entscheiden, während gleichzeitig viele neue Praxen auf den Markt kommen. Doch das sollte keine Ausrede sein: Wer sich nur auf den Fachkräftemangel beruft, ohne aktiv Maßnahmen zu ergreifen, wird es in Zukunft schwer haben.
Was sind mögliche Gründe, warum Praxen nicht die passenden BewerberInnen finden bzw. erreichen?
Michael Scheuermann: Viele ArbeitgeberInnen schalten Anzeigen auf branchenspezifischen Stellenportalen, gehen Kooperationen mit Schulen ein und zeigen Präsenz beim Arbeitsamt. Das Problem ist jedoch, dass nur ein kleiner Teil der ArbeitnehmerInnen dort aktiv nach einem neuen Job sucht. Und selbst wenn sie suchen, stoßen sie oft auf etliche andere, austauschbare Stellenangebote in ihrer Region. Wenn man sich mal umschaut, stellt man schnell fest: Stellenausschreibungen für PhysiotherapeutInnen sind oft sehr ähnlich: “Wir suchen dich!”, flexible Arbeitszeiten, ein tolles Team und vielleicht noch eine Willkommensprämie. Damit kann man sich nicht mehr von anderen Stellenangeboten abheben. Die Art, wie man kommunizieren muss, hat sich in den letzten Jahren stark geändert.
Inwiefern kann die Einbindung digitaler Lösungen und Technologien in den Arbeitsalltag der PhysiotherapeutInnen dazu beitragen, Fachkräfte anzusprechen und die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern?
Michael Scheuermann: Grundsätzlich muss ich sagen, dass es nicht den "einen richtigen Arbeitgeber" gibt. Jeder Arbeitgeber ist unterschiedlich und zieht genau die TherapeutInnen an, die zu ihm passen und dort das finden, wonach sie suchen. Das ist sehr individuell. Ein wichtiger Faktor für viele BewerberInnen ist natürlich die Digitalisierung der Praxis. Zum Beispiel haben wir einen Kunden, der seinen TherapeutInnen die Möglichkeit bietet, Dokumentationen im Home Office zu erledigen. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Ein anderes Beispiel: Ich war kürzlich selbst als Patient in einer Praxis, die immer noch mit Karteikarten arbeitet. Dabei konnte ich einen kleinen Streit beobachten, weil es Unklarheiten im Terminplan gab und Befunde fehlten. Wenn hingegen Dokumentationen einfach per Spracheingabe in der Praxissoftware erledigt werden können oder TherapeutInnen den Terminplan auf ihrem Smartphone einsehen können, zeigt das, dass die Praxis mit der Zeit geht. Das spricht nicht nur junge BerufseinsteigerInnen an, sondern interessiert auch langjährige TherapeutInnen.
Die Digitalisierung lässt Rückschlüsse darauf zu, wie modern die Praxis insgesamt aufgestellt ist. Wenn eine Praxis immer noch mit Karteikarten arbeitet, entsteht schnell der Eindruck von unorganisierten Räumen und chaotischer Organisation. Es vermittelt den Eindruck, dass in der Vergangenheit nicht in die Praxis und die MitarbeiterInnen investiert wurde, und das kann schnell abschreckend wirken.
Welche Ansätze verfolgt ihr bei PraxisTalents, um die Praxen bei der Mitarbeitergewinnung zu unterstützen?
Michael Scheuermann: Unser Vorgehen hängt natürlich von der jeweiligen Ausgangssituation und den individuellen Zielen unserer KundInnen ab. Vereinfacht gesagt haben wir eine Methode entwickelt, um den viel größeren Teil des Arbeitsmarkts zu erreichen - nämlich diejenigen, die zwar noch nicht aktiv suchen, sich aber einen Wechsel vorstellen können. Abseits der Konkurrenz und dort, wo sich die TherapeutInnen sowieso gerne aufhalten, bringen wir unsere KundInnen in eine große Sichtbarkeit: auf Social Media. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit unseren KundInnen zusammen, um herauszufinden, wer sie als Arbeitgeber wirklich sind und was sie von ihren Mitbewerbern tatsächlich unterscheidet. Auf diese Weise generieren wir Bewerbungen für unsere KundInnen, selbst wenn der Markt scheinbar leergefegt scheint.
Welche konkreten Maßnahmen können Praxen ergreifen, um qualifizierte MitarbeiterInnen zu gewinnen?
Michael Scheuermann: Es ist sehr wichtig, aus der Vergleichbarkeit herauszukommen. Findet eure einzigartige Arbeitgebermarke und geht damit in die Sichtbarkeit. Denn es gibt viele TherapeutInnen, die zu euch wechseln würden, wenn sie die Chance hätten, zu erfahren, wer ihr wirklich seid. Es gibt viele Praxen und viele TherapeutInnen, aber nicht jeder ist aktuell zufrieden und beim richtigen Arbeitgeber angestellt. Das ist der entscheidende Hebel, den ihr nutzen könnt.
Wie können Praxen soziale Medien und Job-Plattformen effektiv nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen?
Michael Scheuermann: Jobplattformen sprechen lediglich diejenigen TherapeutInnen an, die aktiv auf Jobsuche sind, was nur einen Bruchteil des gesamten Arbeitsmarktes ausmacht. Vielleicht 5 -10 %, wenn überhaupt. Eine weitere Möglichkeit ist es, auf Social Media aktiv zu werden. Einige Praxen haben bereits erkannt, dass Potenzial in diesem Bereich liegt, und posten auf ihren Profilen. Erreichen damit aber letztendlich nicht den gewünschten Effekt. Warum? Weil Unternehmen mit organischen Posts keine große Reichweite mehr erzielen können.
Das eigentliche Potenzial liegt stattdessen in der Nutzung bezahlter Reichweite durch professionelle Werbeanzeigen-Kampagnen auf Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram. Durch gezielte Zielgruppenauswahl und ansprechende Anzeigen können Praxen ihre Botschaft effektiv kommunizieren und eine größere Reichweite erzielen. Das ermöglicht ihnen, TherapeutInnen anzusprechen, die möglicherweise nicht aktiv nach Stellen suchen, aber dennoch offen für neue Möglichkeiten sind.
Was sind aus Deiner Sicht die häufigsten Fehler oder "No Gos", die Praxen bei der Suche nach MitarbeiterInnen machen?
Michael Scheuermann: Wir haben bereits über viele Fehler gesprochen, wie die Austauschbarkeit der Kommunikation und die fehlende Sichtbarkeit. Aber letztendlich ist der alles entscheidende Fehler, zu lange zu warten, bis man tatsächlich etwas ändert. Wenn man zu viel Zeit verstreichen lässt, bis man sich eingesteht, dass die Mitarbeitersuche die zentrale Wachstumsbremse ist, wird es schwierig, wieder Fahrt aufzunehmen. Außerdem kostet eine unbesetzte Stelle eine Praxis jeden Tag bares Geld.
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